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Last Modified: | Tuesday, 2015-05-05 - 08:09:00 |
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Alternative: | Printable HTML |
Title: | Bild 2: Einflüsse | ||
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Abstract: | Im Mittelpunkt dieser Lerneinheit stehen objektive Beobachtung, subjektive Erfahrung und Konvention als Einflüsse auf die Bildentstehung, sowie das Zusammenspiel dieser Faktoren. | ||
Status: | fertig | Version: | (empty) |
History: |
Author 1: | Viktor Solt-Bittner | E-Mail: | viktor@bonsai-cuts.at |
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Author 2: | (empty) | E-Mail: | (empty) |
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Organization: | Bonsai Cuts, www.bonsai-cuts.at |
Einleitung1visuelle Wahrnehmung ist nicht Bildaufzeichnung Augen liefern nur Rohmaterial für Gehirn Bilder können visuelle Wahrnehmung nicht imitieren Bild-Einflüsse:
2Die in der vorherigen Lerneinheit angesprochene Kritik an der Perspektive als Abbildungsmodell stützte sich auch auf das Argument, dass bei der Bildprojektion auf die gekrümmte Netzhaut gerade Linien im Auge nicht gerade abgebildet werden – im Gegensatz zu den Regeln der Zentralperspektive. Wahrnehmungspsychologen, allen voran James J. Gibson haben gezeigt, dass unsere visuelle Wahrnehmung mit der Bildaufzeichnung einer Kamera nicht zu vergleichen ist. Von großer Bedeutung für unsere Wahrnehmung sind die Bewegung durch die gesehene Umgebung und das Wissen, das wir uns im täglichen Umgang mit und in dieser Umgebung erwerben. Wir haben in der Regel eine Vorstellung vom Charakter der Objekte die wir betrachten, von ihrer Größe oder ihrer Form. Die Projektionen in unseren Augen sind nicht die Bilder, die wir sehen, sondern das Rohmaterial. Die räumlichen Bilder entstehen im Gehirn aus den vielen kleinen Einzeleindrücken, die beide Augen liefern, während sie mit winzigen ruckartigen Bewegungen (Sakkaden) Bildbestandteile sammeln. Es ist mit statischen, zweidimensionalen Bildern nicht möglich, unsere visuelle Wahrnehmung zu imitieren. Bild-EinflüsseEs lassen sich drei Arten von Einflüssen unterscheiden, die als Vorbild oder Inspiration für eine bildliche Darstellung wirken können:
Objektive Beobachtung1Malerei von Renaissance bis Impressionismus: realistische Abbildung Fotokamera = objektive Beobachtungsmaschine Malerei wendet sich vom Realismus ab: Klassische Moderne 2Die Tradition der objektiven BeobachtungDie Maler der Renaissance waren bemüht, die Welt objektiv und realistisch abzubilden. Genaue und unmittelbare Beobachtung war ihr Werkzeug, das die europäische Kunstgeschichte ein halbes Jahrtausend lang dominierte. Der Impressionismus des 19. Jahrhunderts war schließlich die letzte große Bewegung der bildenden Kunst, die sich ganz der Beobachtung widmete – und dabei die konsequenteste. Die Impressionisten und Pointillisten stellten die Überzeugungskraft ihrer Bilder nicht in den Dienst der Politik oder der Religion, sie wählten ihre Motive nicht, um sozialkritische Aussagen zu machen. Ihr Ziel war es, das Licht selbst einzufangen, das von den dargestellten Motiven reflektiert oder von der Atmosphäre gefiltert wird – eine Philosophie, die sicher von der Bildästethik der frühen Fotografie mit geprägt war. FotografieNach und nach übernahm die Fotokamera als Beobachtungsmaschine die Domäne der objektiven Wiedergabe. Die Malerei wurde als Auslaufmodell gehandelt, das seine Daseinsberechtigung verloren hatte. Klassische ModerneStatt dessen emanzipierten sich die Maler der Avantgarde von der Objektivität. Die Kunststile der Klassischen Moderne – wie Kubismus, Expressionismus, Fauvismus, Surrealismus, Konstruktivismus oder Suprematismus – loteten auf unterschiedlichste Weise die Dominanz des subjektiven Empfindens über die objektive Wiedergabe aus. Zeichnung in der wissenschaftlichen IllustrationFür wissenschaftliche Illustrationen werden bis heute neben der Fotografie auch Zeichnungen eingesetzt, in denen Aspekte der Abbildung, die für die Dokumentation irrelevant sind, weggelassen werden können. Wissenschaftliche Illustration entsteht im Spannungsfeld zwischen subjektivem Ausfiltern störender Details und objektiver Wiedergabe der abgebildeten Objekte. Subjektive Erfahrung1Erfahrung beeinflusst Wahrnehmung Einfluss bewusst oder unbewusst 2Unsere Erfahrungen beeinflussen unsere Wahrnehmung. Wir wissen, das Personen, die sich auf der Straße von uns entfernen, nicht kleiner werden, obwohl sie objektiv eine kleiner werdende Fläche in unserem Gesichtsfeld und damit auf einem perspektivischen Bild einnehmen. Wir stehen unserer Umwelt nicht neutral gegenüber. Sie löst Gefühle in uns aus, und wir erinnern uns an diese Gefühle oft besser als an den Anblick, der sie ausgelöst hat. Wenn solche Erfahrungen Eingang in eine Darstellung finden, entstehen Bilder, die sich von solchen, die nach dem Augenzeugenprinzip entstanden sind, mehr oder weniger deutlich unterscheiden. Bewusste und unbewusste Abbildung von ErfahrungKinderzeichnungenWenn ein Kind ein Auto zeichnet, in dem Menschen sitzen, dann gibt es oft nicht nur jene Körperteile wieder, die durch die Autofenster zu sehen sind, sondern auch die von der Karosserie verdeckten. Es tut dies jedoch nicht bewusst in gestalterischer Absicht, sondern aus der Erfahrung, dass Menschen immer vollständige Körper haben. AUTOIn der traditionellen Ausbildung lernen bildende Künstler, ihrer Erfahrung zu misstrauen, und nur darzustellen, was sie wirklich sehen. Die Wiedergabe von Wissen ist später ein bewusster Akt der Gestaltung. Gewissermaßen ein Umschalten zwischen misstrauischem und erfahrenem Blick. Dass Wissen sich manchmal auch ungewollt in den Vordergrund drängt, kann man an manchen Details auf Gemälden erkennen. Falsche Perspektive durch ErfahrungBei diesem Selbstportrait kamen dem dreizehnjährigen Albrecht Dürer Erfahrung und Beobachtung durcheinander. Vom rechten Auge ist mehr zu sehen, als die gewählte Perspektive erlaubt.Dadurch wirkt die obere Gesichtshälfte gegenüber der unteren leicht verdreht und das Gesicht insgesamt zu flach. Die Nase müsste das Auge teilweise verdecken. Rechts eine behelfsmäßig korrigierte Fassung zum Vergleich. Konvention1
Beobachtungen und Erfahrungen können zu Konventionen erstarren. 2Neben den objektiven und subjektiven Grundlagen für die bildliche Darstellung sind die kollektiven Einflüsse von großer Bedeutung auf die Darstellungsweise. Dies beginnt bei der Wahl des Motivs. Jede Epoche, jede Kunstgattung und jeder Stil hat bevorzugte Abbildungsmotive, die in Gruppen zu Genres zusammengefasst werden. AUTOBeispiele für Genres, die Bildmotive liefern: Heiligenverehrung, mythologische Themen, Portrait, Landschaft, Stilleben AUTOKonventionen können nach bestimmten Körperhaltungen, Farben, Requisiten oder Betrachtungsstandpunkten und Perspektiven verlangen. Beobachtungen (objektiv) und Erfahrungen (subjektiv) können zu Konventionen (kollektiv) erstarren. Und oft werden gerade erst entwickelte Darstellungsspielregeln einer Kunstrichtung selbst zu Konventionen, was natürlich auch damit zu tun hat, dass die Einhaltung von Konventionen die Wiedererkennbarkeit steigert – und damit manchmal den finanziellen Erfolg. Zusammenspiel der Einflüsse1SaturnringeObjektive Beobachtung wird durch subjektive Erwartung beeinflusst. AnatomieObjektive Beobachtung, konventionelle Pose Ikonenstrikten Darstellungs-Konventionen Französischer Expressionismussubjektive Komposition aus Farben und Formen, konventionelles Motiv SuprematismusSubjektive Komposition, unbeeinflusst von objektiver Beobachtung
2Kein Einfluss ist für Inhalt und Form eines Bildes allein verantwortlich, aber verschiedene Einflüsse können den Charakter eines Bildes unterschiedlich stark prägen. AUTOSaturnringeBevor Christian Huygens das Rätsel der Saturn-Ringe löste, interpretierten die Astronomen des 16. Jahrhunderts die Bilder, die sich ihnen in den Teleskopen boten, auf sehr unterschiedliche Weise. Die geringe Abbildungsqualität, veranlasste die um größte Objektivität bemühten Forscher, zu sehen, was sie zu sehen glaubten. AnatomieDie Darstellung der Muskelstränge ist bemüht objektiv, die Pose der Figur folgt den Konventionen klassischer Kunstwerke. IkoneDie Christus-Darstellung auf orthodoxen Ikonen folgt strikten Konventionen. Für subjektive Interpretation bleibt wenig Platz. Französischer ExpressionismusEin Scherenschnitt-Bild von Henri Matisse. Die Komposition aus Farben und Formen erfolgt nach subjektiven Gesichtspunkten. Objektive Beobachtung ist von untergeordneter Bedeutung. Die Motivwahl folgt den Konventionen der Portrait-Malerei. SuprematismusDieses Gemälde von Kasimir Malewitsch bleibt rein abstrakt. Es bildet kein reales Motiv ab, daher ist es auch unbeeinflusst von objektiver Beobachtung. Konventionell war zum Zeitpunkt der Entstehung (1915) nur die Maltechnik und das rechteckige Bildformat.
LiteraturErnst H. Gombrich: Das forschende Auge – Kunstbetrachtung und Naturwahrnehmung. Campus Verlag, Frankfurt / Main, 1994 Harry Robin: The Scientific Image – From Cave to Computer. Harry N. Abrams, Inc, New York, 1992; W. H. Freeman and Company, 1993 |
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