Sound Design: Grundlagen
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Einleitung
Motivation und Lernziel dieser Lerneinheit
Kenntnis der Aspekte um Gestalt und Gestaltung von Audio,
in Ableitung von ‚Multimedia-Design’ und in Anlehnung an Film:
Sound-Design im allgemeinen und für Multimedia
Themen dieser Lerneinheit
Elemente der Sound-Gestaltung
Komponenten des Tonsignals
Tätigkeitsbereich Sound-Design
Produktionsprozess
Methoden und Besonderheiten im Film-Sound
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Ausrichtung
Für Wirkung von Ton Vermittlungsabsicht und Medienkanal entscheidend kann:
Ton solitär oder zu Bild vermittelt
Ton für Radio oder für TV gestaltet
Ton in sachlichen News, unterhaltsamen Magazin oder in Übertragung realer Ereignisse
Ton als Bestandteil von narrativem und von dokumentarischem Programm
Ton als Teil multimedialer Präsentation
Ton offline oder im Internet
Ton als Content oder zur Unterstützung von Interaktion
jede dieser Audios im Laufe ihrer Entwicklung Eigengesetzlichkeiten
Wirkung aller Soundtracks jedoch ähnliche Grundsätze
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Elemente der Sound-Gestaltung
Unterschiedlichste Absichten des Kommunikators (Produzent) durch Vermittlung von Ton
Ansprache des Rezipienten (Publikums, Zuhörers oder Users):
zur Vermittlung von Information
zur Unterhaltung
zur Emotionalisierung (z.B.: Dramatisierung von Bild)
zur Illusionierung
zur Resonanz
als Feedback (Interface)
Gestaltungselemente zur Realisierung:
Sprache
Geräusch
Musik
... diese Elemente als Tonspuren (Tracks):
in Tonmischung bearbeitet
zueinander in Verhältnis gebracht
bilden den Soundtrack
... diese Elemente eingesetzt:
als Kommentar
als Soundeffekt
als Erzählung
solitär (und dominant)
redundant (etwa zu Schrift)
kommentierend
als Synergismus
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Sprache
Wahrnehmung vonTon
Wahrnehmung von Ton illusionierendes Ereignis Ton erweckt Dinge zum Leben
Menschliche Stimme authentifiziert Abbild einer Person als Realität
Wirkung von Sprache
Sprache und Intonation ausschlaggebend für Wirkung eines Programmes:
männliche oder weibliche Stimme
zarte, schrille oder sonore Stimme
heiterer, bedrohlicher, ernster oder gleichförmiger Tonfall
Sprache zu Bild: Synchronität für realen Eindruck entscheidend
Originalton
auch O-Ton oder OT genannt
authentische, u.U auch ausschnitthafte Wortaufnahme (Rede od. Interview)
Zitat-Funktion redaktioneller Beiträge (TV od. Radio)
OT im Film: alle an Originalschauplätzen aufgezeichneten Töne
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Musik
Wahrnehmung von Musik
Wesentlicher Faktor zur Emotionalisierung
vermittelt formal Kontinuität
Multimedia: interpretiert zumeist visuelle Ebene
Musik kann (mit) Sprache oder Bild ...
kommentieren
harmonieren
kontrastieren
Kriterien zur Auswahl von Musik
Tempo (von langsam bis rasend)
Rhythmus (kaum bis sehr akzentuiert)
Emotion (harmonische Wirkung)
Interpretation (instrumental, vocal)
Stil (Klassik, Folklore, Rock, Pop, Funk..)
Herkunft (geografische Zuordnung wie Region)
Periode (zeitliche Zuordnung wie historische Periode)
Bedeutung identer Bildfolgen durch unterschiedliche Musik völlig verändert
Vokalmusik in Multimedia
Rezeption nimmt Hörer besonders in Anspruch
zieht besondere Aufmerksamkeit auf sich
auf adäquates Mischungsverhältnis (etwa zu Sprache) ist zu achten
Musik in Projekt-Planung nach budgetärem Rahmen:
Musik aus bestehenden Archiven (Abgeltung aller Schutzrechte)
Neuerstellung durch Komponist und/oder Produzent
Archiv Musik
Rechte einmalig abgegolten (royalty-free CD’s)
kostengünstiger
meist zur wiederholten Verwendung
Musik - Komposition und Neuaufnahme
auf Wirkung und dramaturgische Erfordernisse abgestimmt
höhere Kosten
komplexer Gestehungsprozess und Ungewissheit des Ergebnissesoft als nachteilig empfunden
Innovationen moderner Recording-Technologien (MIDI, Sequencing, Harddisk-Recording)
Komponisten und Sound-Designer vermehrt auf Soundtracks spezialisiert
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Geräusch
fast alle akustischen Elemente eines Filmes rekonstruiert
Dialoge, Schritte oder Geräusche neu aufgezeichnet und synchronisiert
Definition
Definition Geräusch
Geräusch ist Schall in
nichtperiodischen Druckschwankungen
Vielzahl von Schallschwingungen
rasch wechselnder Amplitude und Phase
Frequenzen in nicht ganzzahligen Verhältnissen zueinander
[
s
]
Originaltreue
originalgetreue Geräusches erfordern
fachgerechte Aufzeichnung
Aufbereitung bzw. Bearbeitung im Ton-Studio und auch
wachsende Zahl digitaler Geräusch-Archive
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Atmosphäre
Definition
Definition Atmosphäre
auch Atmo
Zusammenspiel von Umweltgeräuschen
erzeugt beim Hörenden realistischen Eindruck
erschafft ohne Abbild Ort eines Geschehens
für Sound-Designer wie „Grundierung seiner Leinwand“
üblicherweise grundlegender Schritt in Sound-Design
ausschlaggebend für Erschaffung realillusionären Settings
verleiht Soundtrack Kontinuität und Homogenität
Beispiel
Atmo Beispiele
Büro
http://www.schulen-auf-sendung.de/mp3/workshop/krimi/atmo_buro.ram
Atmo Flughafen
http://www.schulen-auf-sendung.de/mp3/workshop/krimi/atmo_flughafen.ram
Atmo Strasse
http://www.schulen-auf-sendung.de/mp3/workshop/krimi/atmo_strasse.ram
Atmo Markt
http://www.schulen-auf-sendung.de/mp3/workshop/history/hist_atmo_markt.ram
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Spot-Effekte
akzentuieren Höhepunkt eines Ereignisses
Film: zuschlagende Türen, Explosionen, ...
Interface-Design: Clicks, Button-Pushes, ...
Beispiel
Spot Effekte
Laser
Schuss
Glasbruch
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Sound-Effekte
heben Objekt, Ort oder Aktion akustisch hervor
zielen auf Überhöhung emotionaler bzw. dramatischer Wirkung
auch auf Schrift oder Grafik-Elemente angewandt (Multimedia)
auch um Schnitte zu akzentuieren oder zu verbergen (Film)
als Übergänge zwischen Auf- bzw. Abbau von Seiten (Web)
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Diegetische Sounds
What-You-see-is-what-You-hear
bestimmen Sound-Design im Film
beziehen sich auf im Bild ablaufende Ereignisse
bewirken damit Realismus-Effekt
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Nicht-Diegetische Sounds
erweitert imaginären Raum ausserhalb der Bildfläche
Geräuschkulisse um Information und Emotionalität erweitert
einsames Gartenhäuschen durch hupende Autos zur lärmigen Vorstadt
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Raum
Reverb-Effekte können Raum akustisch nachbilden
räumlicher Eindruck verstärkt durch Stereophonie bzw. Multichannel Surround Sound
abhängig von technischer Ausstattung bei Präsentation
Beispiel
Beispiele
Bsp THX Soundtest Bsp Auto von re nach li Bsp Auto von li nach re
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Stille
eindrucksvolles Gestaltungselement
als Alternation zu sonstigen Sounds
Pause oder dramatische Auslassung
bekannt aus Film-Genres wie Thriller oder Horror-Film
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Komponenten des Tonsignals
9 Komponenten mit Einfluss auf Wahrnehmung eines Soundtracks
(Modifikation oder Elimination eines oder mehrerer verändert Sound) Robert L. Mott 1990
Komponenten zur Musik
Tonhöhe (Pitch)
Klangfarbe (Timbre)
Obertöne (Harmonics)
Lautstärke (Loudness)
Rhythmus (Rhythm)
Komponenten zum Tonumfang
Attack
Sustain
Decay
Komponenten zur Aufnahme und Wiedergabe
Geschwindigkeit / Speed
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Tonhöhe
auch Pitch
bestimmt durch seine Frequenz
Frequenzen ‚Low’, ‚Mid’, ‚High’
Low Frequency
Bässe
verleihen Kraft und Wärme
Bsp: Donner oder Gewehrschüsse
Midrange Frequency
Mitten
verleihen Energie
Bsp: Läuten eines Telefons
High Frequency
Höhen
verleihen Präsenz und Lebendigkeit
Präsenz lässt Ton klar klingen und vermittelt Nähe zur Tonquelle
Bsp: heller Glocken- od. Beckenschlag
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Klangfarbe
auch Timbre
einzigartige Kombination aus Grundfrequenz, Harmonik und Obertönen
verleiht Stimme, Musikinstrument und Sound-Effekt Färbung und Charakter
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Obertöne
schwingender Gegenstand gibt Schallwellen bestimmten Frequenz weiter
Frequenz initiert Wellen, genannt Obertöne (Harmonics)
Grundfrequenz und Obertöne stellen Klangfarbe dar
Obertöne machen Sound interessanter
Kombination aus Grundfrequenz und Obertönen ergibt komplexe Wellenform
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Lautstärke
auch Loudness
hängt von Intensität des Tonimpulses ab
durch Dynamitexplosion grössere Menge an Luftmolekülen verdrängt als Pistolenschuss - dadurch lauter
erst bedeutsam, wenn mit einer anderen vergleichbar
Schuss in kleinem Raum ohrenbetäubend – neben fahrender U-Bahn unbemerkt
Subjektiver Höreindruck
mittelfrequenter Ton wird vor niederfrequentem lauter wahrgenommen
Menschen für Mitten-Frequenzen am empfindlichsten (250 Hz - 5000 Hz)
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Rhythmus
einer der komplexesten Eigenschaften von Sound
involviert
Wiederkehr von Gleichem oder Ähnlichem
in akzentuierter Abfolge
von stärkeren und schwächeren Elementen
in Musik
Rhythmus grundlegendes Strukturelement
umfaßt Ordnung, Gliederung und sinnfällige Gestaltung des zeitlichen Verlaufs von Klangereignissen
[
s
]
in Sprache
Menschen an Sprache identifizierbar
Tonhöhe, Tonumfang und gewisse Rhythmik charakteristisch
im Geräusch
rhytmische Eigenschaften von Geräusche
Bsp: trabendes vs. Galoppierendes Pferd
Bsp: langsam von einem schnell fahrenden Zug
im Bild
rhytmisch-optische Phänomene
Prinzipien (wie Ton) Abfolge, Geschwindigkeit und Betonung
Montage ist Abstimmung auditiver und visueller Wirkungen
Komponenten zum Tonumfang
Attack: 1
A Soundbeginn, B Höhepunkt
Sustain: 2
Sound fällt ab, Anhalten bis C
Decay: 3
C Tonquelle entfernt sich, D Stille
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Komponenten zum Tonumfang
Attack
Sound beginnt mit Phase Attack
je näher Attack zu Peak (Höhepunkt), desto rascher erfolgt Attack
rasche Attack
Sounds klingen subjektiv lauter
Bsp: Schüsse, Schläge, Zuschlagen von Türen, etc.
langsame Attack
Bsp: Heulen eines Hundes, Zerknüllen eines Papierblattes, etc
Sustain
Anhalten ein Tones von Energie in Vibrationen der Tonquelle abhängig
Sustain-Zeit verändert Sound
Decay
Abfallen der Amplitude eines Tones, nachdem Quelle verstummt
‚decay time’ – Zeit bis zur Stille
Identifikation eines Sounds / Aufnahme innen oder aussen
Innenräumen – kleine Abmessungen, grosse Absobierung – kurze Decay-Zeiten
im Freien – offene uneingeschränkte Fläche – langes Decay mit Echo
Anfang und Ende eines Sounds sind ‚Head’ und ‚Tail’
Geschwindigkeit
Beschleunigung oder Verzögerung der Abspielgeschwindigkeit verändern Sound
angewandt für rasche Modifikation des Sounds
[
s
]
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Modifikation von Sounds
Sounds nach Aufnahme zumeist angepasst und tontechnisch verfeinert
Up-Speed und Slow-Down des Originalsounds verändert Tonhöhe zu / dann Wiederaufzuzeichnung in Standard-Geschwindigkeit
Harmonizer, expandiert oder komprimiert Sound, ohne Tonhöhe zu verändern
Absenkungs-Filter heben Frequenz-Randbereiche an (oder senken ab)
digitale Reverbs (Hall-Effekten) kreieren elektronische Sounds
elektronisches Equipment und Computer-Soft- und Hardware zur Generierung synthetischer Sounds
Montage und Mischung existenter Sounds schafft Eindruck eines neuen Sounds
[
s
]
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Tätigkeitsfeld
Sound-Designer
ausschlaggebende Faktor für Sound-Design ist Kreativität
technisches Wissen und Fachkenntnis geeigneter Soft- und Hardware Voraussetzung
Möglichkeiten in Kreation und Manipulation von Sounds vielfältig
einfache Prozesse (Hinzufügen Delays, Reverbs ...) produzieren überzeugende Ergebnisse,
guter Sound-Designer vertraut seinem geschulten Gehör
in kleinen Produktionen Tonbearbeitung von Multimedia-Designer übernommen
im Idealfall spezialisierte Positionen wünschenswert
in arbeitsteiliger Praxis Tätigkeitsfelder gebildet (Film- u. TV)
Spezialisten für
Konzeption und Gestaltung von Sound
Aufnahme und Bearbeitung von Ton
Komposition und Aufnahme bzw. Auswahl geeigneter Musik
Casting, Aufnahme und Coaching von Sprache
Aufnahme und Bearbeitung von Sound-Effekten
Mixing und Endfertigung zum Mastertrack
Zusammenarbeit bzw. Koordination aller Tätigkeitsfelder entscheidend
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Sound-Design
Aufgabe, ein generelles, konsistentes Klangbild zu erarbeiten (mit Regisseur)
Film Jurassic Park: erst Design Schreie Saurier, dann Adaption optischer Entwürfe
Sound-Designer zuweilen lediglich mit Kreation einzelner Sounds beauftragt
Film Wolf: S.-Designer lediglich für akustische Verwandlung von Nicholson in Bestie engagiert
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Produktionsprozess
Konzeption
am Beginn der auditiven Umsetzung
Audio Teil des Gesamtkonzeptes
alle für die Audio Veranwortlichen von Projektbeginn einzubeziehen
Aufnahme
Ton analog oder digital aufgezeichnet
für Film Ton gleichzeitig (synchron) mit Bild aufgenommen
direkt auf Bildträger (Videotape oder Festplatte)
auf externes (synchron verkoppeltes) Aufnahmegerät
Auswahl und Positionierung der Mikrophonie jeweiliger Aufnahmesituation entsprechend
Coaching des Sprechers (Sprachaufnahme) durch Regie
Tonbearbeitung
analog oder digital
Modifizieren der Eigenschaften einzelner Töne bzw. Sounds
Editieren der Abschnitte einzelner Tracks
Arbeitsschritte
Schnitt (Editing)
Blenden (Fading in/out)
Klangregelung (Equalizing)
Tonhöhenänderung (Pitching)
Zeitveränderung (Time compress /expand)
Filtering (Chorus, Hall, Echo)
Rauschunterdrückung (Noise Gate)
Programme zur digitalen Tonbearbeitung
Sound Forge (sonicfoundry.com)
Wavelab, Cubase (steinberg.de)
Pro Tools (digidesign.com)
Logic Audio (emagic.de)
Soundedit (macromind.com)
Tonmischung
Signale durch Tonmischpult (Mixer) geführt
Tonspuren (Tracks) zueinander in Verhältnis gebracht
Aufzeichnung dieses finalen Vorgangs (Mastering)
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Methoden und Besonderheiten
Foley
Geräusche zu am Set aufgenommenen Bildern von Foley-Artists live nachgebildet
Geräusche synchron aufgenommen
müssen realistisch wirken
sollen Eindruck erwecken, dass Geschehen mit Bildern aufgezeichnet wurde
steht in alter Tradition
Foley-Artists entstammen Geräusche-Machern des frühen Kinos
hinter der Leinwand Bilder des Stummfilms belebt
Filmtonstudios eigens ausgestattete Foley-Studios
Foley-Artists sind gefragte Spezialisten
bedienen Alltagsgegenstände - imitieren Geräusche
sämtliche Geräusche für Szenerien in einem Take bildgenau nachgestellt
scheint etwas rückständig, wird jedoch für gewisse Geräusche Soundarchiven und Montage vorgezogen
können dynamischer, individueller und schneller produziert werden
ADR
Ton durch Störgeräusche oder Regieanweisungen beeinträchtigt
Neuaufzeichnung diese Stellen im Tonstudio
ADR – Automated Dialogue Replacement
Bild einer Szene läuft (in Schleife) wiederholt ab
Darsteller spricht Versionen desselben Takes auf Band (oder auf Harddisk)
bester Take ausgewählt und Soundtrack untermischt
MOS
Aufzeichnung einer Szene ohne synchronisiertem Ton
MOS auf Filmklappe oder ins Script geschrieben
Bedeutung sinngemäss überliefert
Legende deutscher Hollywood-Regisseure: ‚We are recording this scene mitout sound’ MOS
Bedeutung umstritten: Minus optical signal, Muted on screen, Motor only shot
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Quellen
Joachim Böhringer
:
Kompendium der Mediengestaltung für Digital- und Printmedien
;
Springer
,
2003
Robert L. Mott
:
Sound Effects, Radio, TV and Film
;
Focal Press
,
1990
Brockhaus
:
Brockhaus Enzyklopädie in 24 Bänden
;
Brockhaus
,
1989
Rob Bridgett: Sound Design: An Introduction, Computer Arts Magazine 2002
http://www3.telus.net/kbridget/introduction.htm
Dr. Stefan Müller (
sm@automat.at
)
Automat, http://www.automat.at/