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Wirklich überzeugend wirkt Animation erst, wenn Sie nicht nur Bewegung im Sinn von räumlicher Interpolation darstellt, sondern die bewegten Objekte real und belebt erscheinen lässt, also „animiert“ im wahrsten Sinn des Wortes.
Animation muss die Illusion von physikalischer Masse erzeugen, um zu überzeugen – was aber nicht bedeutet, dass Animation mit wissenschaftlicher Simulation gleichzusetzen ist.
Aus täglicher Beobachtung wissen wir, wie Körper sich bewegen. Dass Energie nötig ist, um sie in Bewegung zu setzen, und dass Energie nötig ist um Bewegung zu bremsen oder zu stoppen. Intuitiv können wir aus dem Bewegungsverhalten eines Körpers abschätzen, wie groß seine Masse ist, und wie viel Energie nötig ist, um seine Bewegung zu beschleunigen oder zu bremsen.
Der visuelle Eindruck von Masse kann durch die relative Größe eines Objekts im Vergleich zu anderen Objekten oder zum Bildschirm beeinflusst werden, oder durch Farbe und Helligkeit. In der Animation stehen aber bessere Mittel zur Verfügung: Timing und Spacing.
Durch die Beachtung einiger Grundprinzipien wird aus einer schwerelosen Fläche auf dem Bildschirm ein glaubwürdiges Objekt, das den Gesetzen seiner Welt gehorcht. Diese Gesetze sind jenen unserer Welt meist ähnlich.

Beispiel
Die rote Kreisscheibe bewegt sich gleichmäßig und schwerelos. Die grüne Fläche bewegt sich im Vergleich viel glaubwürdiger, wie ein Ball, der den Kräften seiner Umgebung ausgesetzt ist, obwohl wir es hier nicht mit einer physikalischen Simulation zu tun haben.

Ein großes Verdienst der Disney-Studios liegt in der Entdeckung und Erforschung dieser Animationsprinzipien in den 20er und 30er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts.
Wird auch als „Ease In“ bzw. „Ease Out“ bezeichnet.
Bewegung beginnt nicht plötzlich und endet nicht plötzlich. Egal wie groß die Kraft ist, die einen Körper in Bewegung versetzt oder stoppt, es gibt zumindest eine kurze Phase der Beschleunigung bzw. Abbremsung.
Wie lang diese Phase dauert, hängt von der Größe der bewegten Masse und den auf die Masse wirkenden Kräfte ab.

Beispiel

Aktive Bewegung, also Bewegung, die nicht durch äußere Krafteinwirkung erzwungen ist, wird meist durch eine kurze Gegenbewegung eingeleitet. Diese kann so deutlich wie das Ausholen mit einem Schläger sein, oder nur aus einer winzigen Gewichtsverlagerung bestehen.
Durch Gegenbewegung wird der Körper oder ein Körperteil wie eine Uhrfeder „aufgezogen“. Je größer die dadurch gespeicherte kinetische Energie ist, um so kraftvoller kann die resultierende Aktion ausfallen.
Die einleitende Gegenbewegung hat auch theatralische Bedeutung für die Animation, da sie die Zuschauer auf die folgende Aktion vorbereitet.

Beispiel
Nochmals die „Billardkugel-Szene“. Durch die kurze Gegenbewegung zu Beginn erhält nicht nur die Kugel sondern die gesamte Szene mehr Schwung.
Die Gegenbewegung dieses Fußballspielers umfasst den gesamten Körper: Das Gewicht wird auf das linke Bein verlagert. Das rechte Bein holt Schwung, und wird dabei vom Oberkörper und den Armen unterstützt.

In der realen Welt bewegen sich Objekte selten entlang einer Geraden. Gelenke, Luftwiderstand oder Gravitation lenken sie auf gekrümmte Bahnen.

Beispiel
Zur Verdeutlichung ist eine Hand der Figur hervorgehoben.

Nicht alle Teile eines Körpers beschleunigen und bremsen gleichmäßig. Arme, Haare, Kleidung, Antennen oder größere Fettmassen folgen der Bewegung eines Körpers mit Verzögerung.

Beispiel
Beachten Sie, wie die Arme des Kickers nach dem Schuss erst einige Bilder nach dem Oberkörper zur Ruhe kommen.

Wirkt eine Kraft auf einen Körper, so wird dieser nicht nur beschleunigt oder gebremst, sondern auch verformt. Wie stark diese Verformung ausfällt, hängt von der Elastizität des Körpers, seiner Masse und damit seiner Trägheit ab, und von der Stärke der einwirkenden Kraft. Wichtig dabei: das Gesamtvolumen ändert sich kaum.
Während Formveränderungen in der Realität meist kaum sichtbar sind, werden sie in der Animation oft stark übertrieben dargestellt.
Die Bewegungsabläufe des Kickers und die Fluggeschwindigkeit des Balles sind gleich geblieben. Nur durch Squash and Stretch wurde der Szene zusätzliche Dynamik verliehen.
Richard Williams: The Animators Survival Kit – A Manual of methods, Principles and Formulas. Faber and Faber, London, 2001
Frank Thomas, Ollie Johnston: The Illusion of Life – Disney Animation. Hyperion, New York, 1981