Filmsprache: Grundlagen
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Einleitung
Thema dieser Lerneinheit
  • Überblick über grundlegende filmsprachliche Mittel
Lernziel dieser Lerneinheit
  • Kenntnis der groben Faktoren in Zusammensetzung einer Film-Sequenz
  • Förderung bewussten Umgangs mit Film und Video in Multimedia
  • Film als ‚Laufbild’ ein lineares Medium
  • Zuschauer bildet gemeinsames Ganzes
  • Film-Sprache hat sich Eigenheiten des Mediums angepasst
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Ausrichtung
Filmische Vermittlung
  • dokumentarisch oder fiktional
  • aufgezeichnet oder live
  • mehr oder weniger narrativ (berichtet über, erzählt Geschichte, tätigt Aussage)
  • Rezipient (Zuschauer) emotional und/oder rational angesprochen
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Filmsprache
Filmisches Regelsystem
Regelsystem ordnet Entwicklung der Handlung
  1. räumlich - Mise en Scène: Inszenierung Raum (Blickwinkel, Schärfentiefe, Farben, Licht, Position Darsteller, Ausstattung, ...)
  2. zeitlich - Montage: zeitliche Anordnung d. Elemente schaffen gemeinsam neue, psychologische Realität
Filmsprachliche Termini
Filmsprachliche Termini dienen
  • Filmschaffenden zur Verständigung bei Arbeit
  • Filmanalyse, Filmwissenschaft und Filmkritik zu Diskurs
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Filmische Einheiten
Wie Sprache (Wörter, Sätze, Absätze, Kapitel, ...) auch Film in Bausteine zerlegbar
Einstellung
  • kleinste filmische Einheit
  • ohne Unterbrechung ‚belichtetes Stück Film’
  • auch: Take
  • Rohmaterial: von Einschalten der Kamera bis Ausschalten
  • fertiger Film: von einem Schnitt zum nächsten
Szene
  • eine Handlungseinheit (in Ort und Zeit)
  • besteht aus einer oder mehreren Einstellungen
Sequenz
  • auch: Syntagma
  • Ablauf von Einstellungen bzw. Szenen
  • nicht an Einheit von Zeit und Ort oder Abfolge gebunden
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Einstellungsgrössen
  • Einstellungsgrössen immer ungefähre Annäherungswerte
  • abhängig von Bezugssystem (Unterschied Totale Berg von Totalen Ameise)
  • Angabe zumeist bezogen auf menschl. Proportion
Weite Totale (WT) / Extreme Long Shot (ELS)
  • auch Panorama-Einstellung
  • Überblick über gesamten Ort der Handlung
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Beispiel
Abb: Weite Totale
Abbildung

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Totale (T) / Long Shot (LS)
  • zur Orientierung
  • stellt Motiv gesamtheitlich dar
  • oft zur Einführung in Handlung oder Ort
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Beispiel
Abb: Totale
Abbildung

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Halbtotale (HT) / Full Shot (FS)
  • zeigt Hauptmotiv zur Gänze
  • EU manchmal ident mit Amerikanischer
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Beispiel
Abb: Halbtotale
Abbildung

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Amerikanische / Medium Full Shot (MFS)
  • Menschen vom Knie aufwärts (US-Western)
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Beispiel
Abb: Amerikanische
Abbildung

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Halbnahe (HN) / Medium Shot (MS)
  • Menschen von Hüfte aufwärts
  • lenkt Interesse auf Person
  • typische Einstellung für zwei Personen im Gespräch
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Beispiel
Abb: Halbnahe
Abbildung

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Nahe (N) / Close Shot (CS)
  • Brustbild einer Person
  • Person dominiert Umgebung
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Beispiel
Abb: Nahe
Abbildung

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Große (G) / Close Up (CU)
  • verdeutlicht Einzelheiten
  • Kopf G lässt Gefühlsregungen erkennen und stiftet Identifikation
  • US-Film auch: Wide CU, Full CU, Medium CU
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Beispiel
Abb: Große
Abbildung

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Detail / Extreme Close Up (ECU)
  • vergrössert Einzelheiten extrem
  • oft fast unnatürlich
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Beispiel
Abb: Detail
Abbildung

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Bildausschnitt
  • auch Kadrage – benannt nach belichtetem Filmbild ‚Kader’
  • seine Wahl folgt allgemeinen Regeln zur Bild-Gestaltung
  • Wahl in Bezug auf Konvention, Seh-Erwartungen und optische Spannung
  • Kameraleute zumeist intuitiver Umgang mit Wahl des Ausschnitts
    • ‚etwas Luft zu lassen’: Wahl des Headrooms, sodass Köpfe in Nahaufnahme nicht angeschnitten
    • ‚rechts oder links anzusetzen’: Wahl der Bildhälfte, in der Darsteller bei einem Schwenk gehalten wird (Talking-Room oder Walking-Room)
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Perspektive und Raum
  • Wahl der Dimension
  • Wahl der Perspektive
  • Wahl der Kameraoptik (unterschiedliche Brennweite)
  • Perspektive für Bedeutung einer Einstellung bestimmend:
    • Normalsicht – Aufnahme aus Augenhöhe
    • Aufsicht Froschperspektive – Verlagern Kamera-Blickwinkel nach unten
    • Untersicht Vogelperspektive – Verlagern Kamera-Blickwinkel nach oben
Normalsicht
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Beispiel
Abb: Normalsicht
Abbildung

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Untersicht oder Froschperspektive (Low-Angle Shot)
  • lässt Objekt übergross, wuchtig und mächtig erscheinen
  • suggeriert Erniedrigung oder Unterlegenheit
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Beispiel
Abb: Untersicht
Abbildung

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Aufsicht oder Vogelperspektive (High-Angle Shot)
  • schafft Überlegenheit und Distanz
  • gewährt Überblick (Luftaufnahme)
Abb: Aufsicht
Abbildung
Wahl der Brennweite (Kameraoptik)
Weitwinkel-Objektive
  • Gegenstände scheinen voneinander entfernt
  • ermöglichen grössere Schärfentiefe
  • erfordert Umsicht in Positionierung am Set
  • erfordert genauere Inszenierung der Darsteller
  • räumliche Zusammenhänge deutlicher wahrnehmbar
Tele-Objektive
  • bilden grösser als real ab
  • komprimieren den Raum
  • Objekte schnell ausserhalb des Schärfebereiches
  • Gestaltung der Bildschärfe kann Aufmerksamkeit des Publikums lenken
  • flachen das Bild ab
  • Objekte, die Meter voneinander entfernt, scheinen einander nah
  • atmosphärische Effekte bei bewegten Objekten (Menschenmassen)
Umschärfen
  • Verlagerung der Tiefenschärfe in einer Einstellung
  • Bildwirkung kann entscheidend verändert werden
  • Bedeutung kann vom Vordergrund zu Hintergrund verschoben werden
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Bewegung und Kontinuität
  • Wesen von Film – Bewegung festzuhalten
  • Film strebt nach Kontinuität – erzählt Geschichte
  • Bewegung wird kontinuierlicher Ablauf von Einstellungen und Szenen
  • Mise en Scène und Montage wirken zusammen und folgen Plan
  • Umsetzung von Bewegung in Kontinuität
  • Bewegung ausgehend vom gefilmten Objekt oder von Kamera
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Kamera-Bewegung
  • bestimmt Position d. Zuschauers zu Handlung
  • bezieht ihn mit ein
  • distanziert ihn
  • lässt ihn über seine Stellung zur Handlung im Ungewissen
  • zwei Arten von Kamerabewegung
    • seitliche und
    • vom Objekt weg oder zu Objekt hin
Schwenk
  • Kamera bewegt sich (um eigene Achse)
  • ohne Standort zu verlassen
  • verfolgt oder ‚begleitet’ Objekt
  • ‚tastet Objekt ab’
  • gibt Überblick über weite Szenerie (Panorama-Schwenk)
  • seitlicher Schwenk (Pan)
  • Auf- und Abschwenk (Tilt)
  • Schwenk-Endposition vor Beginn festlegen
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Beispiel
Abb: Schwenk
Abbildung

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Fahrt (Tracking)
  • Bewegung der Kamera in Relation zum Objekt der Aufnahme
  • vor oder rück / zum Objekt hin oder von ihm weg (veränderter Bildausschnitt)
  • in horizontaler bzw. vertikaler Ebene (Parallelfahrt zu bewegten Objekt od. Kranshot)
  • Kamerafahrt
  • auf Kamerawagen (Dolly)
  • auf Schienen oder Rädern
  • auf Kamerakran
  • Aufzeichnung der Koordinaten der Kamerabewegungen (MotionTracking)
  • Kamerasteuerung nach am Computer festgelegten Pfaden (MotionControl)
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Beispiel
Abb: Fahrt
Abbildung

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Zoom
  • Zoom verändert Bildausschnitt
  • Veränderung der Brennweite seines Zoom-Objektivs
  • nicht durch Bewegung der Kamera
  • Gegensatz zur Vor- oder Rückfahrt
  • psychologische Effekt für Betrachter
    • ins Bild ‚gesogen’
    • aus Einstellung ‚gedrängt’
    • manchmal Erfahrung als 3-dimensionaler Raum
Handkamera
  • zumeist unruhige (‚verwackelte’) Bilder
  • Realität suggerierende Wirkung
  • Einsatz im Newsbereich aus Mobilitätsgründen
  • Stilmittel in Kino-Strömungen Nouvelle Vague (50er) und Dogma (90er)
  • Stabilisierung durch Kameraführungssystem Steadycam
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Bewegungsrichtung
  • Reale Repräsentanz eines Objekt im Film durch
    • Beibehaltung seiner Bewegungsrichtung (Bewegungsachse)
    • überlappenden Dreh
  • Aktion mittels mehrerer Kameras gleichzeitig gefilmt
  • überlappender Dreh
  • mehrmalige Wiederholung der Aktion
  • verschiedene Perspektiven und Einstellungen
  • jeweils vollständige Aufzeichnung der Aktion
  • (ausgenommen bei genauem Schnittplan)
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Bewegungsachse
  • wichtig für Vermittlung der Bewegungsrichtung eines Objektes
  • Achse soll von Kamerapositionen nicht übersprungen werden
Abb: Bewegungsachse
Abb: Achsensprung
Achsensprung
  • Achsensprung erweckt Eindruck zweier verschiedener Personen (Irritation)
  • erfahrener Betrachter sieht über Irritationen hinweg und umgeht Desorientierung
  • Sprung über Achse kann motiviert sein (gefilmte Person ändert Blickrichtung)
  • Neudefinition der Achse
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Schuss-Gegenschuss
  • Auflösungs-Formel einer typischen Szene
  • zwei Personen einander gegenüber im Gespräch
  • Achse durch aufeinander gerichteten Blicke der Personen
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Beispiel
Abb: Schuss-Gegenschuss 1
Beachtung Achse zur Vermittlung gegenüberliegender Position wichtig
Abbildung

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Beispiel
Abb: Schuss-Gegenschuss 2
Abbildung

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Schnitt
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Definition
Schnitt
  • Auswahl, Trimming und Zusammenfügen der Einstellungen
  • Mischung des Soundtracks
  • Zusammenführen der beiden
  • Jobposition im Deutschen
    • „Schnitt“ als gesamter Vorgang
  • Jobposition im Englischen
    • „Cutting“ als eigentliches Schneiden und Zusammenfügen
    • „Editing“ als kreativer Vorgang

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Montage
  • Montage (aus dem Französischen)
    • Zusammenfügen von Einzelteilen’
    • Arrangement (Einstellungen, Szenen und Sequenzen zu narrativer Einheit
  • Die Montage ordnet die Bilder beim Schnitt im
    • zeitlichen Zusammenhang
    • räumlichen Zusammenhang
    • logischen Zusammenhang
    • neues Raum-Zeit-Gefühl entsteht
    • nicht zwingend mit Realität übereinstimmend
  • Montage – im US-Film
    • Herstellung von besonderen Sequenzen
    • oft metaphorisch
    • kondensieren Zeit und Raum
    • montieren kurze Bilder in rascher Abfolge
    • benutzen verschiedenste Übergangsmodi
Kunst des Schnitts
  • Aufmerksamkeit des Zuschauers beim Schnitt auf Narration gelenkt
  • Anordnung und Länge der Einstellungen entscheidend
  • Alternation der Bildinhalte (Bildaufbau und Bewegung)
  • Shots und Soundtrack verschmelzen zu visuell-auditiven Rhythmus
Ordnung der Narration
  • Die Ordnung der Narration in zeitlicher Hinsicht vollzieht sich durch
  • Aufeinanderfolge von Einstellungen (Continuity Editing)
  • Parallel-Montage von Szenen (Cross-Cutting)
  • FlashBacks oder FlashForwards (als zeitliche Vor- oder Rückschau)
  • Bewegungsschnitt (Match-Cut)  Überlappend
  • Jump Cut (eher als Kontrapunkt oder zur Irritation)
Schnitt–Aufgaben und Logik
  • durch Aufzeigen von Ursache und Wirkung einer Handlung
  • durch das Handlungsschema Aktion-Reaktion
  • Korrektur der bei Dreharbeiten aufgetretenen Fehler (im Anschluss bzw. Continuity)
Grundlegende filmische Mittel
  • grundlegende Mittel des Schnitts:
  • Schnitt (Cut)
  • Blende (Dissolve)
  • Auf- und Abblende (Fade out / Fade in)
  • Trickblenden oder Wipes (vergangene Schnittstile)
  • umfangreiche Möglichkeiten durch digitale Bildbearbeitung (Compositing)
Arbeitsverlauf bei Schnitt
Der Arbeitsablauf beim Schnitt vollzieht sich vereinfacht folgendermassen:
  • Sichten des Materials
  • Ordnen des Materials
  • Montage des Materials
Differenzierung Filmschnitt
  • Früher
    • Filmschnitt
    • elektronischer (Video-) Schnitt
  • Heute
    • Linearer Schnitt (Schnitt auf Video von Tape-to-Tape)
    • Non-Linearer Schnitt (Filmschnitt oder Digitaler Schnitt)
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Produktion
Pre-Production
  • inhaltliche Konzeption
  • Erstellung Drehbuch und Storyboard
  • kaufmännische und geschäftliche Produktionsplanung
  • Casting, Auswahl und Disposition aller Mitwirkenden und Drehorte
Dreharbeiten
  • Aufbau Equipment (Kamera, Licht, Ton, Ausstattung, Bauten)
  • Inszenierung Darsteller (Maske, Garderobe
  • Szenen auf Film belichtet oder elektronisch (digital) aufgezeichnet
  • Prozess zeitraubend
  • von vielfältigen Faktoren abhängig
  • beträchtliche Stehzeiten
Post-Production
  • Film: Entwickung, Kopien (Muster), Überspielung auf Video
  • Video: direkte Post-Production (Nachbearbeitung) und Schnitt.
  • Anordnung v. Bildern u. Tönen lt. Drehbuch bzw. Regisseur u. Produzenten
Produktions-Team
  • Film besonders arbeitsteiliger Prozess
  • mehr und mehr Aufgabenbereiche herausgebildet
  • je nach Art des Programmes und Höhe der finanz. Mittel gestaltet sich Zusammensetzung und Umfang des Produktionsteams
  • Produktion / aktuelle Berichterstattung: 3-5 köpfiges Team
  • Spielfilmproduktion / Grossunternehmungen
    • 1983 /‚Die Unendlichen Geschichte 1.Teil’ / 208 Personen
    • 2001 /‚Herr-der-Ringe’-Filmtrilogie / 2500 Mitarbeiter
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Quellen
Steven D. Katz: Film Directing Shot by Shot; Wiese, 1991
James Monaco: Film verstehen; Rowolth, 1980
Karel Reisz: The Tenique of Film Editing; Focal Press, 1995
Joachim Böhringer: Kompendium der Mediengestaltung für Digital- und Printmedien; Springer, 2003

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Dr. Stefan Müller (sm@automat.at)
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