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Schrift stellt bis heute eine Entwicklung dar, ein System, das nicht abgeschlossen ist und das sich wandelt unter den Bedingungen der Kommunikation. So haben etwa als neuzeitliche Systemschriften das Morse-Alphabet, bestehend aus Punkten und Strichen, und die Blindenschrift (Braille-Schrift), aus Erhebungen im Buchstabenfeld, die binäre „Schrift“ der Computer, zwischen 0 und 1, Plus und Minus, vorbereitet.
Unserer westlichen Buchstabenschrift, im Ursprung entwickelt aus den Bild- und Malschriften, stehen andere Schriftsysteme gegenüber.
In Wortschriften steht für jedes Wort nur ein Zeichen. Als bedeutendste des Altertums gilt die ägyptische Hieroglyphenschrift, heute Chinesisch oder Vietnamesisch. Vorteil: Sie nehmen weniger Platz ein, man kann sie auch schneller lesen. Nachteil: Für den Druck braucht man soviele Zeichen, wie es Wörter gibt. Die chinesische Umgangssprache bedient sich 3000-4000 Worte.
Silbenschriften, etwa die Keilschrift der Sumerer (wennauch nur mit einem einzigen Zeichen, dem Keil) oder heute Japanisch, reduzieren den Zeichenbestand. Für die japanische Alltagssprache sollte man etwa 1000 Zeichen beherrschen. Unsere westliche Buchstabenschrift hingegen zählt nur 26 Zeichen (bzw. 52 incl. Grossbuchstaben).
Ausserhalb des westlichen existieren als gegenwärtig wesentlichste noch der arabische, der chinesische und der indische Schriftkreis.
Sieht man von frühen Höhlenmalereien, etwa in Lascaux (etwa 15000 v.Chr.), ab, werden die ersten Schriftsysteme heute mit etwa 5300 v.Chr. datiert und stammen von Inschriften auf Kultgegenständen einer südosteuropäischen Donau-Zivilisation. Ägyptische Hieroglyphen und die sumerische Keilschrift gehen auf etwa 3100 v.Chr. zurück.
Von diesem Zeitpunkt an bis zum Beginn der Typografie (1450 durch Johannes Gutenberg) war Schrift ein Instrument der politischen und sozialen Führungsschicht und allezeit patriachal besetzt.
Schrift stand immer in engem zeitgeschichtlichen Zusammenhang mit der jeweiligen Kultur und ihre Gestalt wird oft mit jener der Architektur einer Epoche verglichen.
1 griechisch 500 v.Chr., .2 karolingisch um 800, .3 gotisch um 1250, .4 Neue Sachlichkeit der 1920er
Im Ablauf der Geschichte – sowohl in Ägypten, in Griechenland, wie in Rom und im 18.Jh. – wurden immer mehrere Schriften geschrieben, jene zum täglichen Gebrauch (in Handel und Gewerbe oder auch der Dichter und Historiker) zum schnellen Schreiben (sog. Gebrauchsschriften) und jene zur offiziellen Demonstration und zur Repräsentation (von Staat und Kirche) unter Priorisierung ästhetischer Gesichtspunkte (sog. Schönschriften).
Die folgende Inschrift (geschrieben von rechts nach links) stammt von einer griechischen Kanne, aufgefunden vor den Toren Athens:
„Wer nun von allen Tänzern am muntersten tanzt, soll dies erhalten.“
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Die verschiedenen Phasen der Entwicklung von der Inschrift der Kanne etwa 830.v.Chr. bis zu unserer heutigen (in diesem Fall Klein-) Schrift zeigt Otl Aicher in folgender Illustration:
Die industrielle Revolution brachte die dampfgetriebene Rotationsdruckerpresse (1868) und 1886 ermöglichte es die Konstruktion der Setzmaschine Linotype, durch Tastenanschlag Buchstabenbilder zu Zeilen zusammenzustellen und mit Blei auszugiessen. Durch den Fotosatz in den frühen 1950er Jahren wurden verschiedene Schriftgrössen optisch vergrössert und es war nicht mehr nötig für jede Grösse eine gesonderte Schrift anzufertigen. Das mit der Verbreitung des Personal Computers Mitte der 80er Jahre einher gehende DTP (DeskTopPublishing) revolutioniert Satz und Druck. Mit Installierung des Internets Beginn der 90er Jahre emanzipiert sich die gesamte Typografie, Schrift verlässt ihren materiellen Träger und nimmt virtuelle Form an.