Typographie: Grundlagen
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Einleitung und Motivation
Themen dieser Lerneinheit
  • Überblick Entstehung von Schrift
  • Überblick Entwicklung der Typografie
  • Überblick Schrifttypen
Lernziel dieser Lerneinheit
  • Wahrnehmung und Unterscheidung verschiedener Schriften
Widmung
  • Zitat des Typographen Otl Aicher:
    • „sprache (...) lebt vom gebrauch, von der sich wandelnden bedeutung ihrer worte. [s]
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Entwicklung und Geschichte
  • Schrift stellt stetige Entwicklung dar
  • neuzeitliche Systemschriften wie Morse-Alphabet und Blindenschrift als Vorreiter der binäre „Schrift“ der Computer
Schriftsysteme
westliche Buchstabenschrift
  • entstanden aus Bild- und Malschrift
  • 26 Zeichen (bzw. 52 incl. Grossbuchstaben)
Wortschriften
  • für jedes Wort nur ein Zeichen
  • ehem: ägyptische Hieroglyphenschrift
  • heute: Chinesisch oder Vietnamesisch
  • geringer Platzbedarf
  • schnellere Lesbarkeit
  • viele Zeichen für Druck
  • ugs. Chinesisch: 3000-4000 Worte
Silbenschriften
  • ehem: sumerische Keilschrift (Keil als einziges Zeichen)
  • heute: Japanisch
  • reduzierter Zeichenbestand
  • ugs. Japanisch: etwa 1000 Zeichen
  • Schriftkreise ausserhalb des westlichen
  • der arabische, chinesische und indische
Schriften in den Anfängen
  • etwa 15000 v.Chr. - frühe Höhlenmalereien / Lascaux
  • etwa 5300 v.Chr. - erste Schriftsysteme / Südosteuropa
  • etwa 3100 v.Chr. - ägyptische Hieroglyphen und die sumerische Keilschrift
  • bis zum Beginn der Typografie (1450 Gutenberg) Schrift als Instrument der politischen und sozialen Führungsschicht und patriachal
Schrift und Kulturkreis
  • Schrift immer in engem Zusammenhang mit jeweiliger Kultur
  • Schrift oft mit Gestalt der Architektur einer Epoche verglichen
  • Immer wurden mehrere Schriften geschrieben
  • zum täglichen Gebrauch (Handel, Gewerbe, Dichter, Historiker)
  • zum schnellen Schreiben (Gebrauchsschriften)
  • zur offiziellen Demonstration und Repräsentation (Staat und Kirche; Schönschriften)
Phasen der Entwicklung von etwa 830.v.Chr. bis zu heutiger Schrift
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Beispiel
Inschrift einer griechischen Kanne
Abbildung
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Von 830 v. Chr.bis Gutenberg
  • Inschrift der griechischen Kanne (830. v.Chr.)
  • griechische Unziale
  • römische Unziale (Schreibschrift für Schreiben mit Feder auf Pergament) .4 Halbunziale (Schreibstuben der Klöster)
  • karolingische Minuskel (789 Hausschrift Karls des Grossen)
  • humanistische Minuskel
  • Urform unseres heutigen Alphabets
  • 868 n.Chr. – früheste Druckerzeugnisse
  • 1040 – Buchdruck in China
  • um 1450 – Johannes Gutenberg begründet Typografie (Reproduktion von Wissen nun maschinell; interdisziplinärer Strukturwandel)
  • Gutenberg-Bibel - 42-zeilige Bibel; Alphabeth aus 290 Typen; zahlreiche Alternativ- und Doppelbuchstaben
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Beispiel
Abbildung: Gutenberg-Bibel (Ausschnittvergrösserung)
Abbildung

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Industrielle Revolution
  • 1868 – Rotationsdruckerpresse dampfgetrieben
  • 1886 – Setzmaschine Linotype (Satz per Tastenanschlag; Ausgiessen mit Blei)
  • 1950er – Fotosatz (optische Vergrösserung von Schriften)
  • 1980er – DTP-DeskTopPublishing (Personal Computers revolutioniert Satz und Druck)
  • 1990er – Internet (Schrift nimmt virtuelle Form an)
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Begriff und Abgrenzung
Typographie / Ursprung
  • ursprünglich (Renaissance) alle Bereiche der Buchdruckerkunst
  • mit Ende des materiellen Schriftsatzes gesamtes - materielles oder digitales - reproduzierbares Schriftbild
Typographie / Etymologie
  • aus altgriech. Begriffen
  • „typos“ – Gestalt, Eindruck oder Muster
  • "graphein“ – ritzen oder schreiben
Einteilung Typografie
  1. die Kulturwissenschaft und Lehre der Schriftgeschichte, die Klassifikation von Druck- und Screenschriften sowie deren kunstgeschichtliche Zuordnung
  2. das Wissen über Betrachtungs- und Lesegewohnheiten
  3. die Lehre von der ästhetischen, künstlerischen und funktionalen Gestaltung von Buchstaben, Satzzeichen und Schriften sowie deren Anwendungen
  4. die Lehre, Sprache und Gedanken mittels maschinell bzw. digital reproduzierbarer Schriften sichtbar und den Anforderungen entsprechend optimal lesbar oder verständlich zu machen
  5. die visuelle Gestaltung eines Druckerzeugnisses, einer Multi-Media-Arbeit oder einer dreidimensionalen Oberfläche in der Art, dass Inhalt und Schrift sowie die Anordnung von Text und Bild ein optisch und didaktisch befriedigendes Ganzes ergeben
  6. die Kenntnisse von der handwerklichen, druck- und programmtechnischen Implementierung einer Schriftsatzarbeit
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Gestalterische Typographie
Die gestalterische Typographie unterscheidet zwischen Makrotypographie und Mikrotypographie
  • Makrotypografie - Gesamtkomplex gestalterischer Schriftsatzarbeit (Layout)
  • Mikrotypografie – Gestaltung, Konstruktion und Anwendung der Buchstaben
Teildisziplinen der gestalterischen Typographie
  • Als Teildisziplinen der gestalterischen Typographie gelten
  • Schriftgestaltung (Schriftentwurf, Type-Design)
  • Buchtypographie (Lesetypographie)
  • Gebrauchstypographie (Akzidenztypographie, Werbetypographie)
  • Corporate Typography (Schrift als Element im Corporate Design sowie in Leit- sowie Informationssystemen)
  • Kunsttypographie (Typo-Design)
  • Web- und Screen-Typographie (Digitale Schriftlichkeit)
  • Animationstypographie (Schrift in Bewegung, Schriftanimation)
  • Plastische Typographie (Schrift im dreidimensionalen Raum)
[s]
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Schriften und Klassifikation
Klassifikation nach DIN16518
  • zahlreiche Versuche, Schriften nach unterschiedlicher Gestalt zu ordnen
  • Deutsche Klassifikation (DIN 16518) unterscheidet erst 11 Gruppen, nach Überarbeitung (1998) 5 Gruppen abendländischer Schriften:
    • Gebrochene Schriften (etwa die Gotische oder Fraktur)
    • Römische Serifen-Schriften (oder Antiqua)
    • Lineare Schriften (oder Grotesk; alle Striche derselben Breite)
    • Serifenbetonte Schriften (auch Egyptienne)
    • Geschriebene Schriften (Feder- und Pinselschriften)
Weitere Schriften
  • Fremde oder nicht-römische Schriften (alle asiatischen, kyrillischen, hebräischen, arabischen Schriften)
  • Zierschriften (eher zur Dekoration als zur Lesbarkeit)
Antiqua
  • Schriftgattung
  • entstanden um 1470
  • bedeutet „alte Schrift“
  • alle westeurop. Schriften (bis auf gebrochene und nicht-römische) gehen auf A. zurück
  • diese westeurop. Schriften werden als A. bezeichnet
Klassifikation für Multimediabereich
  • Serifenschriften
  • serifenlosen (oder Grotesk-) Schriften
Beispiele Schriften
Gebrochene Schrift (Old English Text)
Abbildung
Serifen-Schrift (Garamond)
Abbildung
Grotesk- oder Serifenlose Schrift (Futura)
Abbildung
Schreibschrift (Snell)
Abbildung
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Zeichengestalt und Anatomie
Schriftschnitte
Schriften existieren in unterschiedlichen Schriftschnitten (oder Schriftstilen) Schriften werden zumeist in ganzen Schriftfamilien entworfen. Bezeichnungen variieren je nach Land bzw. Schriftenhersteller: Fein (Thin), Mager (Light), Buch (Book), Normal (Regular), Halbfett (Bold oder Medium), Fett (Black oder ExtraBold), sowie Schmal (Condensed) oder Breit (Extended) und Kursiv (Italic oder Oblique)
  • Versalien sind Großbuchstaben
  • Gemeine sind Kleinbuchstaben
  • Satz aus Groß- und Kleinbuchstaben ist gemischter Satz
Unterscheidungsmerkmale von Schriften
Schriften unterscheiden sich nach
  • Gleichförmigkeit und Beschaffenheit ihres Striches
  • Achslage ihrer Lettern
  • Art ihrer Endung
  • in ihren Abmessungen wie Höhe, Breite, Ober- und Unterlängen
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Beispiel
Abbildung: Anatomie
Abbildung
  1. Schaft, Stamm, Hauptstrich
  2. Haarstrich
  3. Serife
  4. Schattenachse
  5. Anstrich
  6. Endstrich
  7. Scheitel
  8. Bauch
  9. Schlinge
  10. Innenform
  11. Verbindung
  12. Kehlung
  13. Versalhöhe
  14. Oberlänge
  15. Mittellänge
  16. Unterlänge
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Serifenschriften (Antiqua)
Unterscheidbar nach Form ihrer Serifen
Abbildung
  1. Renaissance-Antiqua oder Barock-Antiqua - Serifenkehlung rund (Palatino, Times)
  2. Klassizistische Antiqua - Serifen als feine Haarstriche; grosser Strichstärkenunterschied (Bodoni, Zapf Book)
  3. Linear-Antiqua serifenbetont - Strichstärken gleichmässig, Serifen betont (American Typewriter, Rockwell, Glypha
[s]
Serifenlose (Grotesk) Schriften
  • Akzidenz Grotesk
  • Helvetika
  • Futura
  • Univers
  • Avant Garde
Mittellängen
  • Gestalt für Beurteilung und Anwendung einer Schrift massgeblich
    • nicht immer der gewählte Schriftgrad wichtig, sondern Mittellängen der Buchstaben
    • wenn Buchstaben unterschiedliche Mittellängen, wirken Schriften unterschiedlich gross
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Beispiel
Abbildung: Schriftgrad
Abbildung
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Quellen
Links
http://www. typolexikon.de/
http://www.irisa.fr/faqtypo/lexique.html
Otl Aicher: Typographie; Ernst, 1989
Ralf Turtschi: Praktische Typografie; Niggli, 1994
Joachim Böhringer: Kompendium der Mediengestaltung für Digital- und Printmedien; Springer, 2003
Isolde Kommer: Typografie und Layout für digitale Medien; Hanser, 2002
Dieter K. Fröbisch: MultiMediaDesign; Laterna Magica, 1997

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Dr. Stefan Müller (sm@automat.at)
Automat, http://www.automat.at/