Kognitive Grundlagen
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Einleitung
Wozu müssen wir über kognitive Grundlagen der Informationsverarbeitung Bescheid wissen?
  • Zum Verständnis der Phänomene der Mensch-Computer-Interaktion (Human Computer Interaction, HCI) allgemein
  • Zur Lösung bestimmter technischer Probleme auf dem Gebiet der Verarbeitung multimedialer Daten speziell, z.B.
    • Komprimierung multimedialer Daten, die Eigenschaften der menschlichen Wahrnehmung ausnützt, um das Datenvolumen zu reduzieren, ohne merkliche Qualitätseinbußen in Kauf nehmen zu müssen
    • Codierung von Farbinformation, die den subjektiven Empfindungen des Benutzers möglichst nahe kommt
Fokussieren auf den kognitiven Ansatz (eines von mehreren möglichen psychologischen Paradigmen):
  • Primärer Gegenstand: Kognition (lat. cognitio = Erkenntnis) – umfasst alle "geistigen" Prozesse und Strukturen wie z.B. Wahrnehmen, Schlussfolgern, Erinnern, Denken, Problemlösen, Entscheiden…
  • Wir fassen diese Prozesse als Prozesse der Informationsverarbeitung auf: Menschliches Handeln wird bestimmt durch
    • Informationsaufnahme aus der Umwelt +
    • aktiver Prozess der Informationsverarbeitung
  • Aus aufgenommenen Informationen aus der Umwelt ("distalen Stimuli") wird eine subjektive Realität (Interpretation) konstruiert, die als "proximaler Input" für Handlungsentscheidungen herangezogen wird
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Informationsaufnahme–Wahrnehmung
Wahrnehmen = Empfindungen Sinn verleihen
Perzepte = Ergebnisse des Wahrnehmungsprozesses
Drei Stufen der Aufnahme von Information:
  • Sensorische Empfindung: Umwandlung physikalischer Signale in neuronale Codes
  • Perzeptuelle Organisation: Aufbau einer inneren Repräsentation
  • Klassifikationsprozesse - Identifizieren und Einordnen, Zuweisung von Bedeutung
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Beispiel
Beispiel: Wahrnehmung einer geöffneten Türe:
Abbildung Wahrnehmung einer geöffneten Türe
Wahrnehmung einer geöffneten Türe
Sensorische Stufe: Netzhautbild (proximaler Reiz) enthält u.a.: ein Rechteck, zwei Trapeze...
Organisation des Perzepts: Trapeze = perspektivisch verzerrte Rechtecke
Erkennung: Perzept = geöffnete Türe

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Sensorische Empfindung
Umwandlung physikalischer Reize in neuronale Informationen
Modalitäten:
  • Optisch: Sehen (Relevanz für HCI: ***)
  • Akustisch: Hören (**)
  • Olfaktorisch: Riechen bzw. Schmecken
  • Taktil: Tasten (*)
Sehen: Wegen besonderer Bedeutung hier prototypisch behandelt!
Stimulus aus der realen Welt: distaler Reiz(vom Betrachter entfernt)
Sensorisches Abbild der Realität im Nervensystem: proximaler Reiz(dem Betrachter nahe liegend)
Wahrnehmung = Prozess der Erschließung des distalen Reizes ("Wirklichkeit") aus Informationen des proximalen Reizes
Unterscheidung der Modalitäten im Gehirn durch die Verarbeitung der Impulse in unterschiedlichen Hirnarealen – die Sinnesinformationen selbst werden in dieselbe Art neuronaler Impulse umgewandelt!
Unterscheidungen innerhalb einer Modalität:
  • Qualitative Unterschiede ("süß" / "sauer")
  • Intensitätsunterscheide ("süßer/heller/lauter als") – primär über die Frequenz der Nervenimpulse
Psychophysik: Untersuchung der Beziehungen zwischen Intensitäten physikalischer Reize und den induzierten Intensitäten der sensorischen Erfahrung
Zwei Arten von Schwellen:
  • Absolute Schwelle: geringster Reiz, der Empfindung auslöst
  • Unterschiedsschwelle: kleinste physikalische Differenz zwischen zwei als unterschiedlich empfundenen Reizen
(jeweils 50% der Testpersonen empfinden den Reiz bzw. Unterschied)
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Beispiel
Absolute Schwelle
  • Sehen: Flamme einer Kerze in einer dunklen, klaren Nacht aus etwa 30 Meilen Entfernung
  • Hören: Ticken einer Uhr in stiller Umgebung in etwa 6-7m Entfernung

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Webersches Gesetz zur Unterschiedsschwelle:
Der gerade noch erkennbare Reizzuwachs steht zum Ausgangsreiz in einem konstanten Verhältnis
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Beispiel
Unterschiedsschwelle:
Zwei Strecken werden als unterschiedlich lang erkannt, wenn der Längenzuwachs mindestens 10% beträgt

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Fechnersches Gesetz zur Unterschiedsschwelle:
Bei linearer Zunahme des Reizes erfolgt die Zunahme der empfundenen Intensität logarithmisch
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Beispiel
Wenn man eine Kerze zu einer zweiten stellt, ist der Helligkeitsunterschied deutlicher als wenn man die Kerze zu einer Gruppe von 100 Kerzen stellt

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Sensorische Adaption:
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Definition
Abnehmende Reaktionsstärke des Wahrnehmungssystems bei andauerndem, konstantem Reizinput

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Erlaubt es, Aufmerksamkeit speziell auf neue Informationen zu richten und rasch auf sie zu reagieren
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Beispiel

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Visuelle Wahrnehmung
Zwei Arten von Photorezeptoren im Auge:
  • ca. 120 Millionen hoch empfindliche Stäbchen
    • gehäuft im peripheren Bereich der Retina
    • Schwarz-Weiß-Sehen
  • ca. 6 Millionen weniger empfindlicher Zapfen
    • gehäuft im Bereich der Fovea ("Sehgrube"), wo das Bild "fixiert" wird
    • Farbsehen
Räumliche Auflösungdes Sehens: ca. 1"
Gesichtsfeld(inkl. Augen- und Kopfbewegungen): ca. +-100°
  • exakte Farberkennung: +-60°
  • Veränderung im Randfeld (Bewegung): zieht die Aufmerksamkeit auf sich
  • Bereich maximaler Sehschärfe (visual acuity): ca. 5°
Abbildung Visual Acuity
Visual Acuity
Kontrast = Intensitätsunterschied zwischen einem Reiz und seinem jeweiligen Reizhintergrund Kontraste sind notwendig, um überhaupt verschiedene Objekte bzw. Unterschiede zwischen benachbarten Regionen wahrnehmen zu können

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Gerhard Leitner (gerhard@isys.uni-klu.ac.at)
IAS, Universität Klagenfurt